10 Kopfhörer für 1 Paar Ohren

Über junge Diebe habe ich in diesem Blog ja schon berichtet. Das zweite Kapitel liegt nun vor…

Die Geschichte teilt sich in mehrere Akte.

Prolog:
Ich bediene gerade einen Kunden als ein weiterer mich darauf aufmerksam macht dass ich einen jüngeren Mann im Auge behalten sollte da er etwas eingesteckt hätte. Eine Weile kann ich ihn im Auge behalten, er hat tatsächlich eine auffällige Körpersprache. Nachdem ich kurz etwas am PC nachschauen musste, war er aber weg.

Keine zwei Minuten später legt ein Kollege einige leere Packungen von Kopfhörern auf den Tisch mit der Bemerkung da fehle wohl was. Ich lasse alles stehen und liegen und renne aus dem Laden und im halben Center umher auf der Suche nach dem Burscht. Ohne Erfolg. Die Geschichte wird kurz den Kollegen erläutert und die fehlenden Artikel abgeschrieben. Da Abendverkauf gehe ich kurz was Essen.

1. Akt: Der Anruf
Während ich esse erreicht mich eine Kollegin auf dem mobilfunktechnischen Weg. Man habe den Typ gefasst, was zu tun sei. Ich bin erst mal sprachlos. Dann frage ich nach dem Alter. Wisse man nicht, ich würde zurückgerufen. Guten Appetit in der Zwischenzeit. Ja Danke.

2. Akt: Der 2. Anruf

Beim 2. Anruf werde ich über das Alter in Kenntnis gesetzt; 12 Jahre. Na Bravo. Ich ordne an dass die Eltern informiert werden sollen und sie ihren Sprössling bei uns abholen müssen. Wird ausgeführt.
Während ich den Rest meines Abendessens geniesse, wächst in mir die Vorahnung dass die Eltern entweder nicht erreichbar sein werden oder nicht kommen werden. In weiser Voraussicht nehme ich auf dem Rückweg also gleich ein paar Formulare mit die später noch wichtig werden könnten.

3. Akt: Der Deliquent
Tatsächlich sitzt der junge Herr Dieb noch bei uns im Aufenthaltsraum. Seine Mutter könne nicht kommen weil noch ein Kleinkind zu Hause sei, man solle ihn nach Hause senden. Nö, keine Lust. Ich habe eine bessere Idee: ich lasse den Jungen von der Polizei abliefern. Ein Kollege tätigt den entsprechenden Anruf und fragt auch gleich nach ob sie wegen einem 12 Jährigen überhaupt ausrücken. Klar doch.

Wie der junge Verbrecher hört dass wir die Polizei rufen, verfällt er in eine Art singenden Weinkrampf. Meine diversen Fragen beantwortet er aber zwischendurch absolut gefasst und mit trockenen Augen. Komische Sachen gibt’s…

Während wir warten, erkundige ich mich wie meine Kollegen den Dieb überhaupt gefunden und angehalten haben. Ganz einfach: er ist nochmal zurückgekommen und hat 2 weitere Kopfhörer mitgehen lassen. Diesmal allerdings unter Beobachtung. Auf dem Tisch liegen also nun 5 Kopfhörer. Der Warenwert beläuft sich auf genau 222.-.

4. Akt: Die Polizei

Keine halbe Stunde nach dem Anruf trifft die Stadtpolizei Olten, vertreten durch zwei nette Herren, ein. Gegenüber dem Jüngling wird sofort ein ziemlich forscher Ton angeschlagen aber immer korrekt. Während der ersten Bestandsaufnahme trifft dann unerwartet doch noch die Mutter mit 2 weiteren Kindern ein. Leider erweist sie sich nicht als grosse Hilfe da sie sehr wenig Deutsch versteht und noch weniger spricht.

Bei eine Fall von Mitnahme unbezahlter Ware muss ich ja schon ziemlich viele Formulare ausfüllen, die Polizei aber noch viel mehr. So vergeht locker mal eine halbe Stunde bis alles zusammengetragen ist.

5. Akt: Die Wendung
Kurz vor dem Abschluss der ganzen Sache entfährt einem der Polizisten ein „Moment mal“. Ihm ist gerade aufgefallen dass auf dem Tisch alles Kopfhörer von Sony und Philips liegen. Schachteln haben wir aber auch noch von Panasonic. Erneutes Kreuzverhör des Jungen. Ich ordne inzwischen die Ware den leeren Schachteln zu. Da passt fast nichts zusammen.

2 Fragen tauchen auf: Wo sind die restlichen Leerschachteln und noch wichtiger; wo ist die Ware zu den Verpackungen die wir haben? In der Folge kommen verschiedene Geschichten zu Tage die ich nicht mehr alle wiedergeben kann. Bei einer wird ein namenlosen Kollege der Mittäterschaft beschuldigt, bei einer anderen hat er nur zufällig gewusst wo die Schachtel versteckt war, geklaut hätte er es aber nicht.

Der Polizei wird es jetzt zu Bunt. Der Junge wird jetzt sehr energisch aufgefordert alle weiteren im Laden versteckten Schachteln zu holen. Ein paar Minuten später kommt er zurück. Noch mehr Schachteln. Schlussendlich haben wir 10 (Zehn!) Verpackungen wovon wir 5 mit Ware füllen können. Neuer Warenwert: 421.-.

Dummerweise ist es ab 300.- kein geringfügiger Diebstahl mehr… die Schreibarbeit fängt jetzt erst recht an. Eine Aussage wird aufgenommen. Detailliert, sehr detailliert. Mittlerweile ist es etwa 20 Uhr.

Epilog:
Um etwa 21.20 ist die Schreiberei zu Ende. Die Mutter des Jungen um einen nicht kleinen Betrag ärmer und mit der Auflage belegt, den Rest morgen zu bringen. Ein 12 jähriger bekommt bald Post von der Jugendanwaltschaft, sein Zimmer wird durchsucht und er hat Hausverbot in unseren Filialen.

Und mir stellt sich zum Schluss noch die Frage wozu einer 10 Kopfhörer braucht?

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