Erfolgreiches Desinteresse

Ich war einkaufen. Kleider. Weil, ich wurde von diesen Tierchen heimgesucht die über Nacht die Kleider enger nähen. Auch Kalorien genannt. Das soll hier aber nicht das Thema sein. Aber wenn, dann wäre es ein Gewichtiges. Lassen wir das…

Ich war ja selbst 13 Jahre an der Front, also im Verkauf. Und ich weiss, dass es nicht einfach ist. Oft ist es stressig und man müsste etwa 20 Dinge gleichzeitig tun. Trotzdem sollten ein paar Dinge einfach nicht geschehen:

Ich war also in einem Kleidergeschäft und habe meine Auswahl getätigt. An der Kasse ist vor mir noch ein weiterer Kunde, nach kurzer Wartezeit kann ich dann aber vorrücken. Dann geschieht erstmal nichts. Die Dame hinter dem Korpus sortiert fein säuberlich die Kleiderbügel nach Grössen. Da sich das sonst zu einer komischen Situation entwickelt, lasse ich ein „Grüessech“ von mir hören. Ohne aufzuschauen bekomme ich ein gemurmeltes „Grüezi“ retour. Jawohl, ich bin hier voll als Kunde akzeptiert.

Die Kleiderbügel sind sortiert, müssen aber jetzt noch in einen Behälter unterhalb des Korpus befördert werden. Dummerweise tritt eine Kollegin hinzu und informiert, dass sie nun „die Garderoben mache“. Das war eigentlich als Information im Vorbeigehen gedacht aber „meine“ Kassiererin unterbricht die Aufräumaktion und fragt an Ihre Kollegin gewandt nach: „Du machst jetzt die Garderoben?“. Die etwas irritierte Antwort lautet „Ja“. Rückfrage: „Bis wann?“. Die Antwort ist noch irritierter: „Ähm, weiss nicht, so bis zwei wahrscheinlich“. Diese Antwort scheint richtig zu sein: „Ok, gut. Sortier‘ dann nachher die Bügel“. Das scheint bei denen im Pflichtenheft zu stehen…

Ich lerne hier also: Kunden warten lassen, Aufräumarbeiten und inhaltslose Gespräche haben Vorrang. Ich habe das jahrelang falsch gemacht!

An dieser Stelle wendet sich nun die Dame das erste Mal mir zu und schaut mir ins Gesicht. Entweder das oder das Gespräch hat sie aber aus dem Konzept gebracht, denn nun werde ich begrüsst. Das „Grüezi“ ist etwas kräftiger als vorhin aber besonders Empfangen fühle ich mich immer noch nicht. Diese erneute Begrüssungszeremonie lässt mich meinerseits etwas stocken, immerhin bin ich nach meinem Zeitgefühl schon beim Ausgang. Ich kann mir aber eine Antwort sparen, denn die nächste Ablenkung erfolgt in Form eines Spiegels.

Dieses blöde Ding ist nämlich in meinem Rücken auf einem Sonnenbrillenständer angebracht und zwar genau so, dass eine sich darin spiegelnde Lampe auf die Augen der armen Mitarbeiterin leuchtet. Nun wäre ja meine spontane Reaktion gewesen, einen Schritt zur Seite treten. FALSCH! Dir richtige Lösung lautet, um den Tresen herum zu gehen und den Spiegel etwas zur Seite zu drehen. Meine neue beste Freundin kehrt dann mit einem seligen Lächeln wieder an ihren Platz zurück und schaut mir wieder in die Augen.

Ich bin angenehm überrascht kein erneutes „Grüezi“ zu hören. Allerdings höre ich auch sonst nichts. Jetzt ist diese komische Situation doch noch eingetreten. Mein Gegenüber realisiert dann aber die Kleider auf dem Korpus (was haben DIE DA zu suchen?) und beginnt diese wortlos einzuscannen. Piep, Piep, Piep und Piep. Erneutes aufblicken. Kein Ton. In meinen drei Jahren Abwesenheit hat sich wohl so einiges geändert, ich war der festen Meinung, dass nun die Ansage des preislichen Einkaufsvolumens folgt. Um meine Unwissenheit zu überspielen, schaue ich verstohlen auf das Display und zücke dann meine EC-Karte aus dem Portemonnaie, in der Hoffnung, dass ich jetzt auch zahlen darf.

Aus den Hinterräumen stürmt kein SWAT – Team mit Waffen im Anschlag vor, ich darf wahrscheinlich weitermachen. Also tippe ich meinen Geheimcode ein und drücke enthusiastisch auf OK. Ich bin einem Herzinfarkt nahe als ES mich plötzlich anspricht: „Dir zahled mit Charte?“. Meine Kinderstube verbietet mir alle zehn spontenen (aber allesamt sarkastischen) Antworten die mir jetzt einfallen. Stattdessen sage ich nur „Ja, bitte“. Scheint die korrekte Antwort gewesen zu sein, auf dem Touchscreen wird eine entsprechende Taste gedrückt und Sekunden später wird der Kassabon ausgedruckt.

In der Zwischenzeit werden meine Kleider in eine Tasche gepackt, nun kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Der Kassabon wird von der Kasse abgezogen und …. mir entgegen gestreckt. Die Tasche mit den Kleidern liegt aber immer noch in einiger Entfernung auf dem Korpus. Offenbar gibt es da schon wieder eine Neuerung. Schweissausbruch. Vielleicht kann ich mich nur für eines von beidem entscheiden…? Dummerweise habe ich aus einem Automatismus heraus bereits damit begonnen, meine rechte Hand nach dem Zettel auszustrecken. Da ich aber einen unbändigen Willen verspüre meine Kleider auch mitzunehmen, führe ich meine linke Hand unter meiner rechten hindurch zu der Tragtasche. Muss saukomisch ausgesehen haben, aber ich bekomme beides etwa zeitgleich zu fassen. Als ziemlich dummer Mensch stecke in den Fetzen dann zu den Kleidern in die Tasche. Ist mir jetzt auch egal, was SIE von mir hält.

Damit ich auch ganz sicher nichts mehr falsch mache, blicke ich die holde Maid an und bedanke mich (wofür eigentlich?). Und das war schon wieder falsch. Wie konnte ich nach den bisherigen Erfahrungen nur annehmen, dass auch die Verabschiedung nicht geändert wurde!? Ein kurzes, freudloses Nicken schreibt das Handbuch nämlich jetzt vor. Völlig aus dem Konzept gebracht und bar jeder Ahnung wie ich darauf reagieren muss, verfalle ich in mein altes stoisches Muster und verabschiede mich mit einem „Uf wiederluege“. Die muss ja denken ich lebe hinter dem Mond, deswegen erfolgt auch jetzt noch keine Verabschiedung.

Nur schnell raus hier. Dass die Alarmanlage am Ausgang nicht reagiert hat, erscheint mir im Nachhinein als Lottosechser.

Nun, man kann einen schlechten Tag haben, sicher. Aber sowas sollte nicht geschehen! Wie gross ist wohl meine Motivation nochmal in dieses Geschäft zu gehen? Und zwar nicht wegen den Produkten, nur wegen etwa zwei Minuten an der Kasse! Tragisch.

Eigentlich bin ich aber selbst Schuld, warum kaufe ich auch meine Kleider nicht bei meinem eigenen Arbeitgeber…

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